Aus Sicht von Sam (Link klicken für Charakterbeschreibung und Bild)

Ich bin Sam, 28 Jahre alt, kreativ, nachdenklich und ein kleiner Ästhetik-Junkie. Im Alltag liebe ich schönes Design – in meinem Kopf dagegen herrscht oft pures Chaos, weil ich über alles Mögliche nachgrübele, von alten Erinnerungen bis zu Sorgen über die Zukunft. In Beziehungen brauche ich Harmonie – und kämpfe darum manchmal auch ein bisschen zu heftig, so paradox das auch klingen mag.
„Die Präsentation war, wie immer, sehr stark! Du hast die Perspektiven des Konzepts gut berücksichtigt, sauber strukturiert und es dem Kunden verständlich rübergebracht.“ sagte Sams Chefin. Sie fügte an: „Es ist allerdings nicht vorteilhaft, wenn du die Konzepte zu detailliert vorstellst, das stört und lenkt ab. Du hast sicherlich auch bemerkt, dass der Kunde ziemlich gegähnt hat oder? Das darf nicht passieren“. Sam nickte kommentarlos. Ihr Kopf raste. Mist! Ich habe verkackt. Der Kunde wird das Projekt nicht übernehmen. Ich koste Geld für die Firma, reiße die Firma in den Abgrund. Die Chefin verließ den Raum. Ein Kollege legte die Hand auf Sams Schulter und sagte: „Hey, coole Präsi! Ich finde, du hast das super erklärt, wenn der Typ müde ist, kannst du doch nichts für.“ Aber die lieben Worte prallten an ihr ab. Zum Glück ging es danach direkt heim. Sam schwang sich auf ihr Velo und fasste erst wieder einen bewussten Gedanken, als sie bereits auf der Couch lag. Ihre Brust fühlte sich eng an, Gedankenfetzen überschlugen sich in ihrem Kopf. Du hast versagt. Nie kannst du es recht machen. Das war ja wieder mal klar, dass du es nicht schaffst, wenn es drauf ankommt. Der Kunde hält dich bestimmt für langweilig und sieht dich als Fachidiotin. Ihr Herz pochte in ihren Schläfen. Hunger hatte sie keinen, aber zwang ein paar Bissen der Pasta von gestern herunter – einfach aus Vernunft. Als sie dann ziemlich kurz nach dem Essen im Bett lag, begleitete sie die Szene von heute Nachmittag noch. Das Gähnen des Kunden, das Feedback, all die negativen Sätze, die in ihr widerhallten. So sehr sie es auch versuchte, Sam fand keinen Schlaf. Sie wünschte, sie könnte etwas gegen das Gedankenkreisen tun…
Sam ist mit dem Erleben des Grübelns bzw. Gedankenkreisens nicht alleine. Viele Menschen erleben das in den verschiedensten Situationen. Häufig ist es begleitet von einem Gefühl von Kontrollverlust – als könne man sich gegen die eigenen Gedanken nicht wehren. Ein Nebeneffekt ist oft auch das Aufkommen von Selbstzweifeln. Einige Menschen erleben auch eine erhöhte Kränkbarkeit, die in der Psychologie als „Rejection Sensitivity“ bezeichnet wird. Sie beschreibt, dass die Personen Dinge schneller persönlich nehmen und sich dadurch schneller abgelehnt und verletzt fühlen. Es besteht bei diesen Personen eine höhere Erwartung, sozial abgelehnt zu werden (Downey & Feldman, 1996).
Strategien in dieser Situation:
Aber selbstverständlich ist man den Machenschaften unseres Gehirns nicht machtlos ausgeliefert. Wir können Strategien anwenden und erlernen, die uns damit helfen. Einige davon schauen wir uns im Folgenden gemeinsam an:
Was kann ich gegen Gedankenkreisen tun?
1. Gedankenstopptechniken: Hierbei kannst z.B. die Stopp-Technik angewendet werden, indem wir uns einfach ein grosses, rotes Stoppschild in Gedanken vorstellen, das unsere Gedanken hindert, weiter zu kreisen. Gedanken sind einfach nur Gedanken, keine Wahrheiten, keine Taten, keine sicheren Zukunftsvisionen. Das ist wichtig, dass wir uns das immer wieder klar machen. Gedanken ziehen auch weiter, immer – wir müssen es nur zulassen und die Gedanken loslassen.
2. Grübelzeit begrenzen: Es kann helfen, sich eine bestimmte Zeit festzulegen, in der wir grübeln dürfen, die wir aber klar begrenzen und uns danach ganz bewusst anderen Dingen widmen. Gut kombinierbar mit der Gedankenstopptechnik am Ende der Grübelzeit.
3. Körperliche Aktivierung: Wenn wir andere Reize für unseren Körper setzen, gelangen wir dadurch auch wieder mehr in unseren Körper und raus aus dem Gedankenkreisen. Also: Ein kurzer Spaziergang, ein paar leichte Dehnübungen oder ein paar Treppenstufen können helfen, Abstand zu unseren Gedanken zu bekommen. Ein bewusster sprichwörtlicher Tapetenwechsel fällt auch in diese Kategorie.
Was hilft gegen das Gefühl von Kontrollverlust?
1. Selbstwirksamkeit stärken: Eine wichtige „Waffe“ gegen das Gefühl des Kontrollverlustes ist die Selbstwirksamkeit – das Gefühl, dass wir etwas bewirken. Dieses Gefühl können wir erleben, indem wir uns bewusst kleine, machbare Aufgaben stellen. Und wenn das nur eine kurze Mail bei der Arbeit ist, oder die Spülmaschine in der eigenen Küche aus zu räumen. Solange wir etwas bewirken können, hilft das, einen Gegenpol gegen den Kontrollverlust zu schaffen.
2. Achtsamkeitsübungen: In dieselbe Kerbe schlägt das Thema der Achtsamkeitsübungen. Hier können wir ganz bewusst wahrnehmen (mit allen Sinnen am besten), was wir jetzt direkt beeinflussen können. Dabei hilft es auch, darauf zu achten, was wir im aktuellen Moment spüren, und wo im Körper wir es spüren.
Wie kann ich lernen, Dinge weniger persönlich zu nehmen? (Kränkbarkeit/leichte Verletzbarkeit)
1. Kognitive Umstrukturierung: Man könnte diese Übung auch Realitätscheck nennen. Es geht hierbei darum, dass wir flexibler werden, andere Interpretationen ausprobieren und Gründe dafür zu finden, dass die aktuelle Situation nichts mit uns persönlich zu tun hat. Sam könnte z.B. sagen, dass die Chefin im Fokus der Wahrnehmung auf dem Kunden war, und nicht Sam als Person angegriffen hat, sondern einen Verbesserungsvorschlag gebracht hat – zugegebenermaßen nicht besonders einfühlsam – aber doch mit dem Gedanken einer Verbesserung. Es geht generell darum, unsere Überzeugungen, die in solchen Situationen ja meistens negativ sind, zu hinterfragen – und dadurch neu bzw. umzustrukturieren.
2. Perspektivwechsel üben: Diese Strategie hilft, einmal bewusst aus unserem eigenen Film auszusteigen und die Welt so gut es geht mit einer anderen Brille zu betrachten. Sprich: Wie würde eine neutrale Außenperson die Situation bewerten? Was würde sie dazu sagen? Dabei ist es wichtig bewusst, alles zu versuchen auszublenden, was bei uns hinter den Kulissen passiert. Der Fokus liegt einfach auf dem beobachtbaren – eben dem, was eine Drittperson von Außen sehen kann.
Alle beschriebenen Strategien können beliebig angewandt werden und auch beliebig kombiniert werden. Hierbei darf man ruhig total neugierig sein und verschiedene Dinge ausprobieren, um das für sich selbst Ideale herauszufinden!
Quellen:
Downey, G., & Feldman, S. I. (1996). Implications of rejection sensitivity for intimate relationships. Journal of Personality and Social Psychology, 70(6), 1327–1343.